Schwebda und Keudelstein

Von August Trinius

Der älteste Werratalführer stammt vom 7. Dezember 1291. Er war bestimmt für die Mitglieder der Predigerorder-Convente in Eisenach. Da war festgesetzt, daß die Glieder derselben auf ihren Gängen im Werratal den Mühlhäuser Predigerordenskollegen gegenüber der Grenzlinie nicht überschreiten sollten: „Drivordia, Topfer, Aldenburlon, Wenevrieden, Vriden, Suebede, Grefendorf, Gestede, Vache, Aldendorf“. Damit ist auch ein alter Verkehrsweg bezeichnet.

Unschwer wirst du die Namen heute wieder erkennen. Dieser älteste Werratalführer umfasst etwa die Hälfte des in diesem Führer besprochenen Werratales von Hörschel bis Münden. Vieles hat sich seitdem völlig geändert, aber eine Adeslfamilie sitzt heute noch wie ehedem auf dem alten Landsitz. Wenn die Eisenacher in „Suebede“ auf dem Gutshofe vorsprachen, dann trat ihnen ein Keudell entgegen. Es heißt schon 1302 im Güterverzeichnisse des letzten Bilsteiner Grafen Otto: „Koydel habet a nobis bona in Suevede“ (K. hat von uns Güter in Schwebda).

Wie lange das schon der Fall ist, das kann uns leider keine Urkunde mehr sagen. Weit über 600 Jahre sind es also sicher her, daß die Familie von Keudell auf diesem Stücklein Erde voll und ganz bodenständig gewesen und bis heute geblieben ist; das beweisen die verschiedenen Bauten. Ein altes gotisches Wohnhaus bleibt in unseren Tagen an sich schon selten. Das „steinerne Haus“ in Schwebda ist ein solches, das einzig schön in seiner äußeren Form ausgeführt ist. Der hessische Rat Bernhard von Keudell erbaute es 1522. Fünf Jahre vorher hatte Hans von Keudell gegenüber das sogenannte „alte Haus“ gebaut.

Mit diesen Bernhard und Hans trennen sich zwei Linien, von denen die Bernhardische bis zum Jahre 1792 auf dem Keudelstein saß und in diesem Jahr mit dem hessischen Generalmajor Heinrich v. K. ausstarb. Dieser hatte als hessischer Oberst den Zug nach Amerika mit vielen schweren Kämpfen mitgemacht. – Als Erinnerungsdenkmal dieser Linie steht heute noch das schöne Wohnhaus auf dem Gut Keudelstein zwischen Plesse und Hülfensberg aus dem Jahre 1669. Die geschnitzten und eingelegten Türen sind Schaustücke ersten Ranges im Renaissancestil. Es ist verwunderlich, daß bald nach dem Dreißigjährigen Kriege in unserer verwüsteten Gegend so schön gebaut ist; doch stammte die Frau des Erbauers Sebastian v. K. aus einer wohlhabenden und höchst kunstsinnigen Edelfamilie Süddeutschlands. –

Die heutigen Keudells stammen von Hans v. K. ab. – Das moderne Schloss Wolfsbrunn wurde 1904-1907 von dem langjährigen Landrat des Kreises Eschwege Alexander von Keudell (Landrat von 1892-1919) erbaut und schmückt und belebt als Schloss in seinen massiven Formen wesentlich das Landschaftsbild um Eschwege und Schwebda mit den „steinernen“ und „alten“ Keudellhäusern.

August Trinius
(Quelle: Durchs Werratal: ein Wanderbuch. Leipzig: Grethlein, 1910.)