Der Keudelstein

Eine chronographische Kurzfassung

Von Bruno J. Hebestreit

Ca. 1. Kilometer östlich von Döringsdorf, zwischen Hülfensberg und Plesse, idyllisch ruhig und abgeschieden im Nahbereich der hessisch-thüringischen Grenze gelegen, erinnert sich der ortskundige Chronist an den Standort des ehemaligen Gutes Keudelstein.

Auf einer Grenzregulierungskarte des Jahres 1583 ist zu lesen: „Von einem Berit zu Kubstedt keudelsneues Vorwerk gebawet.“

Die Gutsanlage, auf der einstigen Siedlungsstätte Kubsdorf errichtet, wurde 1670 fertiggestellt. Um 1550 wurde sie noch als Wüstung ausgewiesen. Das repräsentative Wohnhaus, ein Fachwerkbau im Renaissancestil, wurde 1699 erbaut. Darstellungen in der Heimatliteratur geben Zeugnis von der zauberhaft romantischen Lage. Das Portal des Wohnhauses war mit Sinbildern und Wappen, die Dielen mit steinernen Kaminen ausgestattet, die Türflügel im Inneren des Hauses mit Schnitz- und Einlegearbeiten gestaltet.1)

Der Keudelsche Besitz umfasste das 500 Morgen große Gut, 1800 Morgen Wald, sowie Ländereien in Döringsdorf, Geismar, Lengenfeld/Stein und Töpfer. 1792 stirbt der letzte des Rittergeschlechts, Walrab von Keudel. Mit dem Aussterben dieses Rittergeschlechts fällt das Gut mit seinen Besitzungen an Kurmainz. Das Gut Keudelstein hatte, der Lokution der Zeit zu urteilen, seit der Säkularisation (1803) verschiedene Besitzer.

Zunächst erwarb ein Rittmeister L'Estoque den Gutshof. Dieser verkaufte ihn im Jahre 1839 an Heinich Lorenz, Besitzer des Gutshofes (Meierei) in Geismar, verheiratet mit Barbara Martin, Tante des Bischofs Dr. Konrad Martin (Schwester seines Vaters). Mitbesitzer wurde Christoph Martin, der Bruder des Bischofs.

Im Jahre 1861/1862 erwarb Christoph Martin den Lorenz’schen Anteil des Gutes. Erst jetzt verließ er den bis dato bewirtschafteten elterlichen Gutshof „Am Anger“ in Geismar und zog zum Keudelstein. Der geräumte Hof in Geismar wurde verpachtet.

Auf Grund der häufigen Erholungs- und Entspannungsaufenthalte seines bischöflichen Bruders auf dem Keudelstein, wurde die Idylle auch „Konradsruhe“ genannt. Im Wohnhaus wurde eigens ein Zimmer für den bischöflichen Gast, das Bischofszimmer, und eine Kapelle, in der hl. Messen, Trauungen und Taufen stattfanden, eingerichtet. Die sogenannte Stubenkapelle wurde am 9. Oktober 1862 vom Bischof selbst eingeweiht.2)

Nach dem Tode von Christoph Martin im Jahre 1869 (die Grabstätte befindet sich auf dem Hülfensberg im Nahbereich der Ruhestätten verstorbener Franziskaner) übernahm der 1839 in Geismar geborene Sohn Konrad, Pate des Bischofs und Lieblingsneffe; dem er in der Kulturkampfzeit sein gesamtes Vermögen übertrug, den Keudelstein. Er heiratete 1868 in 2. Ehe Victoria Ottilie Koch, leibliche Schwester der Mitbegründerin der Heiligenstädter Schulschwestern, Frl. Pauline Koch, -Schwester M. Julie. Die Trauung wurde vom Bischof Dr. Konrad Martin dem Keudelstein vorgenommen. Als dieser 1899 starb, übernahm dessen 1870 geborener Sohn Konrad, auch Konrad der II genannt, das väterliche Erbe.

Während des Kulturkampfes gab die Familie Martin den Franziskanern vom Hülfensberg auf dem Keudelstein eine Zufluchtstätte.3)
Dieser (Konrad II.) trennte sich von diesem Nachlass und so kam 1901 das Gut an den Landrat von Eschwege, einem Herrn von Keudel aus der Ahnenreihe der ehemaligen Besitzer. Spätere Besitzer wurden die Hentschel-Werke in Kassel. Nach Kriegsende wurde das Gut enteignet und 1976 durch Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR-Behörden eliminiert.4)

Männer der Heiligenstädter Wasserwirtschaft fanden in den Trümmerresten die beiden Karyatiden des Portals und brachten sie in Sicherheit. Heute zieren und erinnern diese geschichtsträchtigen Relikte die nördlich der Propsteikirche in Heiligenstadt gelegene Rasenfläche.5)

Der Betstuhl aus der Stubenkapelle des Keudelstein kam während der Amtszeit von Pfarrer Döring nach Effelder und befindet sich derzeit im hinteren Teil der kath. Pfarrkirche St. Alban, im Volksmund auch „Eichsfelder Dom“ genannt.

Im Jahre 1999 wurde die Grabstätte von Christoph Martin auf dem Hülfensberg durch Kirchenmaler und Restaurator Walter Kruse, Kreuzebra, einer umfassenden Restauration unterzogen. 6) Nach Abstimmung mit dem Denkmalamt des Landkreises Eichsfeld wurde die stark verwitterte Inschrift des Grabsteines im Jahre 2002 in Urfassung durch die Eichsfeld Werkstätten auf einer Edelstahltafel dargestellt und der Ruhestätte als Erklärungshinweis beigefügt.

Ãœber die Vorgeschichte des Keudelsteins und seiner Umgebung ist die 1927 bei der Brunn’schen Druckerei, Heiligenstadt/Eichsfeld herausgegebene Schrift "Der Keudelstein – Schwebdaer Archivstudien" zu empfehlen.

Bruno J. Hebestreit
Hagen, den 5. Januar 2003

Quellennachweise:
1) Rassow, Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Heiligenstadt, S. 246 - 250.
2) Walter Fuchs, Chronist und Lehrer i.R., Auszüge aus den Kirchenbüchern der kath. Kirche Lengenfeld u./Stein.
3) Christoph Schollmeyer, O.F.M., Die Franziskaner und der Hülfensberg, 1960, S. 35 - 39.
4) Ewald Kühler, Geschichte des Eichsfelddorfes Effelder, S.244.
5) Paul J. Kockelmann, Propst/Bischöflicher Kommissarius, Schreiben vom 20.7.1992. Paul J. Kockelmann, MARIEN / KALENDER 2000, S. 84 - 86.
6) Rechnung des Restaurators, Kirchenmaler Walter Kruse, Kreuzebra, vom 07.10.1999.