Die Keudelsburg auf der Keudelskuppe, ein Edelstein des Eichsfeldes (1906)

Von Friedrich Wilhelm Mosebach

Schon zu Ende des verflossenen Jahrhunderts entdeckte ich auf der Keudelskuppe (von wo man eine Aussicht ins herrliche Werratal und das malerische Eichsfeld genießt, die wahrhaft himmlisch ist und nirgends im prächtigen Thüringen an Großartigkeit übertroffen wird), durch die Formation des Bodens die Überreste der mittelalterlichen Keudelsburg, die Stammburg der altthüringisch-hessischen Familie von Keudel.
Der frühere Besitzer, der Rittergutsbesitzer Herr Konrad Martin, ein großer Natur- und Altertumsfreund, war sehr erfreut von dieser Mitteilung und wollte gern unter meiner Leitung die uralte und hochinteressante Stätte freilegen, aber Wegebauten und der frühe Tod machten die Ausführung vorläufig zunichte, doch nahm der neue Besitzer, der Herr Landrat und Kammerherr von Keudell, diesen Plan sogleich wieder auf und so konnte ich mit einigen Arbeitern in kurzer Zeit die Überreste der alten Burgstätte freilegen. Die Burg war mit einer Vorburg versehen, hat die mittelalterliche, fast eirunde Form und die Größe der meisten mittelalterlichen Burgen, aber selten ist eine Burg durch ihre schroffe Höhe und Besteiglichkeit so geschützt wie diese.
Nach den Grundmauern des Palas (Herrenhaus) zu urteilen, war die Burg aus Fachwerk hergestellt und wird wohl friedlich nach Erbauung des Schlosses Keudelstein am Fuße der Keudelskuppe, in der Wüstung Kubstedt, von Bernd von Keudel im 16. Jahrhundert eingegangen sein, zu dem noch Steine und Holzwerk von der alten Burg mit verwandt wurden. Die Länge des Palas konnte ich mit 9,12 Meter und die Tiefe mit 7,50 Meter feststellen. 4 Kellerräume waren durch Grundmauern, die direkt auf Felsen ruhen, noch markiert.
Unter den Funden waren ein Teil einer Bronze-Wallbüchse und viele aus rotem Ton gebrannte Tassen und Topfstücke, ebenso von einem großen Taufkump oder Wasserbehälter, 5 – 6 cm dicke Tonteile, als Rand-, Bauch- und Fußstücke, welche innen weiß und nach außen braun glasiert waren, besonders bemerkenswert. Ebensolche glasierte Tonstücke wurden auf der alten Gaufeste Bückeburg bei Obernkirchen im Kreise Rinteln bei der Freilegung einer Ringmauer ausgegraben. Außerdem wurde eine Tonspinnwirbel und eine Bleispinnwirbel gefunden, welche im Schlosse aufbewahrt werden. Hochinteressant ist das Schloss Keudelstein und der herrliche Waldbesitz, welcher sich von Döringsdorf und der hessischen Grenze über die Keudelskuppe bis Hildebrandshausen hinzog.
Dorf und Junkerhaus Hildebrandshausen waren im von Keudelschen Besitz der Schwebdaer Hauptlinie, denn 1669 erbaute Georg Sebastian von Keudel zu Schwebda das prächtige Schlossportal. Mit Walrab von Keudel starb die wohl von Georg Sebastian von Keudel gestiftete Linie Keudelstein am 9. Juni 1742 aus und Kurmainz ergriff Besitz davon. Der Familie von Keudel ist es eine große Freude, dass der alte Stammsitz der Schwebdaer Linie wieder angegliedert ist.

Friedrich Wilhelm Mosebach (1851 – 1921)
(Bückeburg, Landkreis Schaumburg)
(Quelle: „Aus der Heimath“, Halbmonatsschrift zur Heiligenstädter Zeitung, Nr. 100, vom 1. September 1906)