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Keudelstein lebt visuell auf
Von Reiner Schmalzl
DÖRINGSDORF/HILDEBRANDSHAUSEN
Ein kleines Dorf für sich war einst das Gut Keudelstein bei Hildebrandshausen. Weil das Anwesen im Visier des DDR-Grenzschutzes lag, musste es verschwinden und wurde vor 30 Jahren dem Erdboden gleichgemacht. Drei Studenten aus Lengenfeld/Stein haben dem Kleinod der Eichsfelder Kulturgeschichte ein eigenes Internetportal gewidmet und es so virtuell aufleben lassen.
Bis Mitte der 1970er-Jahre befand sich zwischen Döringsdorf und Hildebrandshausen am Fuße der 484 Meter hohen Keudelskuppe das Rittergut Keudelstein. Übrig geblieben vom Glanz des vormals sehr stattlichen Anwesens sind nur noch zugeschüttete Keller und ein paar Mauerreste. Weil das Gut in unmittelbarer Grenznähe lag, wurden die Gebäude ab 1950 kontinuierlich abgerissen.
Damit ereilte Gut Keudelstein ein Schicksal, das vielen Gutshäusern, Herrensitzen, Forsthäusern und Mühlen entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze wegen des vermeintlichen Sicherheitsbedürfnisses der DDR-Machthaber widerfuhr. Während die Besatzungstruppen nur Vieh und Schmuck geraubt hatten, nahm die DDR den Bewohnern ihre Existenz: ihre Häuser. Auch am Keudelstein hatten sich nach dem Krieg einige Neubauern angesiedelt und zahlreiche Vertriebene Unterschlupf gefunden. Sie wurden zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit vertrieben.
Drei junge Eichsfelder begaben sich jetzt auf Spurensuchen zu dem einzigartigen Kleinod am südlichsten Zipfel des Eichsfeldkreises. Die Studenten Oliver Krebs, Stefan Hildebrand und André Scharf aus Lengenfeld/Stein ließ das Schicksal des einst so prachtvollen Areals und seiner Bewohner keine Ruhe. In mühevoller Kleinarbeit haben die jungen Heimatfreunde ein umfangreiches Keudelsteiner Lexikon sowie ein Text- und Bildarchiv zusammengestellt und dem ehemaligen Gut ein eigenes Internetportal gewidmet.
"Herzlich willkommen auf dem Keudelstein! Treten Sie ein ..." - so wird der Besuch von der Webseite www.keudelstein.de empfangen. Es seien unterschiedliche Gründe gewesen, die Geschichte des einst so von völliger Idylle umgebenen Areals zu erforschen, sagt Oliver Krebs. Anliegen der Internetpräsenz sei es vor allem, die Erinnerung an den Keudelstein in Wort und Bild für kommende Generationen zu erhalten sowie einen Beitrag zur eichsfeldischen Heimatkunde und Geschichtsaufarbeitung zu leisten. Die Entwicklung des Adelsgeschlechts von Keudel hingegen werde demnächst in Buchform veröffentlicht.
Etwa von 1583 bis 1669 wurde das Gut Keudelstein etappenweise auf den Resten der Wüstung Kubsdorf erbaut und entwickelte sich zum Stammsitz der adligen Familie von Keudel. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts, mit der Zugehörigkeit des Eichsfeldes zu Preußen, wechselte der Keudelstein mehrmals seinen Besitzer und wurde von nun an als eigenständiges Landgut bewirtschaftet. In diesem Frühjahr hat nun Dr. Christian Wehenkel aus Lengenfeld unterm Stein das über 10 000 Quadratmeter große Gelände erworben. Er deutete an, er wolle die verschütteten Gewölbe freilegen lassen.
Die Heiligenstädter Gerhard Jünemann und Hermann-Josef Kaufhold haben im Jahr 1978 zwei steinerne Zeitzeugen des Keudelsteins retten können. Die beiden Wächterfiguren vom früheren Hauptgebäude (Fotos links und rechts) befinden sich heute am oberen Eingang zum ehemaligen Jesuitenkolleg unweit des Südportals von St. Marien in Heiligenstadt.
Reiner Schmalzl
(in: Thüringer Allgemeine, Ausgabe vom 24.10.2007)