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Burg Keudelstein zu DDR-Zeiten abgebrochen
Von Thomas Bienert
Bislang wenig erforscht und publiziert ist das Schicksal thüringischer Schlösser und Herrenhäuser im 20. Jahrhundert. Bei Hildebrandshausen im Unstrut-Hainich-Kreis stand einst das kleine von Fachwerkmauern geprägte Schloss Keudelstein.
Am südwestlichsten Rand des Eichsfeldes an der Grenze zu Hessen liegt die kleine Gemeinde Hildebrandshausen. Von hier aus lassen sich schöne Wanderungen unternehmen, ein Ausflugsziel führt zum Keudelstein. Es ist heute nur mit Mühe nachvollziehbar, dass hier einst auf der Bergkuppe eine kleine Burg und zu deren Füßen ein altes Rittergut standen.
Die Burg wurde vermutlich auf Initiative des Erzbischofs von Mainz errichtet und war nur von geringer Größe. Untersuchungen vor über hundert Jahren ergaben eine Anlage mit einem ovalen Grundriss und einen Saalbau mit Fachwerkkonstruktion. Über den Besitzer erfahren wir erst im Jahre 1351 etwas, als ein Reinhard Keudel als Pfandbesitzer der nahe gelegenen Burg Bischofstein erwähnt wurde. In der Folgezeit nahm sein Geschlecht einen steilen Aufstieg. Mit Geschick und Glück erwarb es die meisten Dörfer der Umgebung und baute sich eine umfangreiche Herrschaft auf.
Die kleine Burg auf dem Berge genügte schon bald den Ansprüchen nicht mehr, darum erbaute Barlt von Keudel in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts am Fuße des Burgplatzes ein schlossartiges Herrenhaus. Aufzeichnungen der Frondienstleistungen der Bauern schildern jenen Barlt von Keudel als einen strengen Herrn, der zudem als oberster Gerichtsherr der Region fungierte.
Im 17. Jahrhundert teilte sich das Geschlecht, eine Linie wanderte nach Ostpreußen aus und besteht unter dem Namen von Keudell mit zwei l bis heute fort. Aus deren Reihen kamen Gelehrte, Offiziere und Politiker, wie Walter von Keudell, zeitweilig Innenminister in der Weimarer Republik. Die Linie Keudelstein hingegen endete mit dem Tod Walrabs von Keudel am 9. Juni 1792. Das Lehen wurde von Mainz mit Bischofstein vereinigt und nicht an die verwandten Keudel aus dem hessischen Schwebda gegeben. Nach dem Übergang des Eichsfeldes in preußische Hände im Jahre 1802/03 wechselte der Keudelstein oft den Besitzer. Erst im Jahre 1901 kaufte der Landrat von Keudel aus der Schwebdaer Linie das ehemalige Gut seiner Vorfahren für 210 000 Mark zurück. Die Linie starb mit Rudolf von Keudel 1968 aus.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sollte sich alles ändern. Zunächst wurde die Familie enteignet, anschließend kam der Keudelstein auf die berüchtigte Liste der Schlösser, die zum Zweck der Baustoffgewinnung abgerissen werden durften. Schon 1948 wurden große Teile abgebrochen. Mutige Bürger warnten den damaligen Innenminister in Weimar in einem offenen Brief, dass der Abriss von Schlössern wie dem Keudelstein international Empörung hervorrufen werde. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Das Gelände gehörte nun zum Grenzgebiet der DDR. Die Grenztruppenführung befürchtete, dass in den Resten Republikflüchtlinge Unterschlupf finden könnten und gab im Jahre 1978 den Befehl zum vollständigen Abriss. Zwei ehemalige Mitarbeiter der Wasserwirtschaft Heiligenstadt retteten zumindest zwei Steinfiguren, die zum Portal des Gebäudes gehörten. Sie brachten sie nach Heiligenstadt, wo sie schließlich der Propst sicherte. Heute stehen die Figuren gegenüber der Marienkirche in der Eichsfeldstadt. Sie sind der letzte Rest eines Schlosses, von dem einst neben dem Portal auch die Innenausstattung mit prachtvollen Kaminen und reich bemalten Holzdecken gerühmt wurde.
Thomas Bienert
(in: Thüringer Allgemeine, Ausgabe vom 26.06.2004)